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Jasmin Schuller

» DIE SPRACHE DER STADT ERHALTEN« Revitalisierung

In kürzester Zeit ist in Politik und Bauwirtschaft, aber auch bei Architektinnen und Architekten ein Bewusstsein für den Bestand entstanden. Sergei Tchoban hat bereits etliche Bürogebäude revitalisiert. Im Interview plädiert er für einen verantwortungsvollen Umgang mit der gebauten Umwelt.

Herr Tchoban, was verstehen Sie unter dem Begriff Revitalisierung?

Die Sprache der Stadt zu erhalten und gleichzeitig der bestehenden Substanz neues Leben einzuhauchen – sie sozusagen durch Optimierung, Erweiterung und neue Nutzungen aufzumuntern. Ich erinnere mich, dass bei meinem ersten Revitalisierungsprojekt vor 30 Jahren, dem „Java Turm“ in Hamburg, zur Debatte stand, ob man umbaut oder abreißt. Schon damals dachte ich, dass es sehr schade wäre, die investierte Arbeit und Energie sowie Aussage der Kaffeerösterei aus den 1960er-Jahren zu zerstören. Architektur hat schließlich auch die Aufgabe, die urbane und aufregende Geschichte von Plätzen und Orten zu bewahren.

Sie haben einige Ihrer revitalisierten Projekte 2021 in Berlin in einer Ausstellung gezeigt. Was wollten Sie damit vermitteln?

Wir wollten zeigen, dass sich Substanz mit überschaubaren finanziellen Mitteln ressourcenschonend eben nicht nur im Sinne der Bausubstanz erhalten lässt, sondern auch im Sinne der Architektursprache. Deshalb waren uns die Bürogebäude an der Blissestraße 5 und am Ernst-Reuter-Platz sehr wichtig. Hier sind Win-win-Situationen entstanden – für den Bauherren und für die Stadt.

Sie haben eine Vielzahl von Revitalisierungen durchgeführt. Planen Sie bei Ihren Neubauten inzwischen einen späteren Umbau ein?

Ja, wir sehen zu, dass die Konzepte erweiterbar sind. Dafür benötigen wir eine flexible Tragwerkstruktur, vor allem aber eine großzügige Geschosshöhe. Deshalb können wir Industrieanlagen aus dem vergangenen Jahrhundert heute auch so wunderbar nutzen: Neben Fassaden aus gut alternden Materialien bieten sie Geschosshöhen, die es ermöglichen, Ebenen einzuziehen oder wiederum zurückzubauen und dadurch flexiblere, wechselhafte Raumsituationen zu schaffen.

Viele Bürogebäude aus vergangenen Dekaden sind heute architektonisch umstritten. Wie lässt sich hier eine zeitgemäße Architektur schaffen?

Leider wurde bei einigen Bauten aus der nahen Vergangenheit gerade die erwähnte Geschosshöhe vernachlässigt. In solchen Fällen sollte das Zusammenspiel zwischen Verwaltung und Bauherrenschaft etwas großzügiger sein. Wenn es, ich sag mal, einen Meter mehr für eine Gebäudehöhe bräuchte, um die nötige Geschosshöhe zu erreichen, dann muss das möglich sein: alles natürlich gestalterisch relevant und vertretbar.

Welche Ratschläge können Sie Architekten und Planern für die Revitalisierung von Büro- und Bauprojekten geben?

Für mich ist wesentlich, bei Gebäuden an die Architektursprache ihrer Entstehungszeit zu denken. Eine Revitalisierung, die dazu führt, dass beispielsweise ein 60er-Jahre-Bau mit Bandfenstern plötzlich eine Lochfassade hat, ist deshalb für mich nur eine halbe Lösung, weil eine ganz andere Anmutung entsteht. Das finde ich sehr schade. Die Stadt ist nicht homogen, sie ist die Summe der Kontraste, die sehr spannend sein können. Wenn die Struktur also einigermaßen flexibel ist und das Gebäude eine Geschichte erzählt, dann soll es erhalten bleiben!

Zeichnung: Sergei Tchoban

Von Sergei Tchoban gezeichnet: Der „Java Turm“ in Hamburg war sein erstes Revitalisierungsprojekt.

Klemens Renner

Bürgebäude am am Ernst-Reuter-Platz 6 in Berlin

Klemens Renner

Bürgebäude an der Blissestraße 5 in Berlin